Voehls Welt September 2011
von Uwe Voehl, Illustration von Ulrich Tasche

„Pogo, Partystimmung und Massenhysterie – über zehn Bands vor über fünftausend Zuschauern auf drei Bühnen – Hiphop, Punk, Rock und Pop – und das alles mitten im beschaulichen Kurpark. Das geht und das macht richtig Spaß. Natürlich nicht bei uns in Bad Salzuflen, hier ist so etwas undenkbar!“, schimpft Thomas und ruft lautstark nach einem Bier zur Abkühlung.

„Das fehlt uns noch!“, wettert Oppa Rübenstrunk vom Nebentisch. „Die Chugend wird chezz aufmüpfich, was? Habt doch bis chezz Ruhe gegeben! Was hapta nur mit euerm Pank und Pogo? Das hört sich schon unanständig an. Nä! Wir hatten früha unsern Peter Kraus, und der rockt imma noch! Und Hiphop hatten wa mit der Mamma. Aba nich in aller Öffentlichkeit wie ihr heute!“

„Iss doch dummes Zeuch, was der Friedrich sacht“, widerspricht ihm Else, seine Gattin, und zwinkert uns zu. „Und mit Hiphop war auch nich so dolle. Wir hatten ja nich‘ so wie ihr heute mit zwanzich alle schon ‘ne eigene Wohnung.“

Na ja, zwanzig sind wir ja nun auch nicht mehr, aber in Oppa Rübenstrunks Augen sind wir auch mit Vierzig noch Frischlinge.

„Manchmal glaub ich, ich wohne in Rentenhausen“, haut Günni in dieselbe Kerbe wie Thomas. „Fehlt nur noch am Stadteingang das Schild: Kein Zutritt unter achtzig Jahren!“

„Und: Bitte LEISE anklopfen!“

„Kommt ihr ersma‘ in mein Alter!“, schimpft Rübenstrunk. „Dann wollta auch nur noch in Ruhe euer Wacholder trinken – ohne Remmidemmi!“

Günni hat derweil schon weitergedacht: „Mit Rentenhausen könnte Salzuflen sogar ganz neue Touristikmärkte erschließen. Motto: Bad Salzuflen – die Altenrepublik. Was der Schweiz und Österreich ihre Alpen, das sind für uns die liebgewonnenen Alten.“

„Richtich!“ ruft Oppa Rübenstrunk.

„Jetzt mal Butter bei die Fische“, doziere ich. „Fakt ist, dass hier 30% schon älter als sechzig Jahre sind. Mit einem jugendlichen Bevölkerungsanteil unter 20% hat Bad Salzuflen bereits heute locker andere Kurorte im Rollator-Rennen um die älteste Gemeinde Ostwestfalen-Lippes abgehängt. Wir Jungen müssen uns damit abfinden: Wir sind hier nun mal die aussterbende Minderheit!“

„Genau“, sagt Günni. „Um Rentenhausen kommen wir nicht herum. Als sloganunterstützende Maßnahmen schlage ich vor: Tanztee-Abo und eine Gratis-Lesebrille für jeden Neubürger über 60, kostenlose Blutmessgeräte an jeder Fußgängerampel, Geschwindigkeitsbegrenzung in der ganzen Stadt auf 10 km/h, Seniorenteller im Yol und natürlich Extrakassen in allen Supermärkten für eilige Rentner.“

„Na ja, Rentenhausen hieße: Dagobert und Oma Duck dürfen rein, Trick, Tick und Track müssen draußen bleiben. Genau wie A- und B-Hörnchen. Und die kleinen Schweinchen. Von Donald, Daisy und den anderen ganz zu schweigen: Die haben doch auch alle noch nicht das Rentenalter erreicht, oder? Ganz schön trist, dein Rentenhausen“, stelle ich fest.

„Moment ma‘, Chungs“, mischt sich Oppa Rübenstrunk wieder ein. „Jetzt habt ihr abern Denkfehler: Der Donald iss Tatsache älter als der Dagobert. Den hat der Carl Barks nämmlich ers‘ 1947 erfunden. Donald, der sein Neffe iss, spielte schon 1934 in ‚Die kleine Henne‘ den Pechvogel. Und selbst Trick, Tick und Track sind chünga als der Dagobert: Die chibts nämmlich schon seit 1938! Komm, Else, lassen wir die Jungspunds mal in Ruhe darüber nachdenken. Das könnense hoffentlich noch bei all dem Pogo und Punk.“

Zahlt, sattelt seinen AOK-Shopper und lässt uns Greenhorns ehrfurchtsvoll staunend zurück.

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