Das Haus von Anna Wanges wurde im 16. Jahrhundert erbaut. / Foto: Christopher Berndt
Das Haus von Anna Wange wurde im 16. Jahrhundert erbaut. / Foto: Christopher Berndt

Schlendert man durch die historische Altstadt, so könnten einem bei dem einen oder anderen schiefen Fachwerkhaus Bilder eines Grimm’schen Märchens in den Sinn kommen. Manches Häuschen hätte auch als Kulisse für klassische Hexengeschichten dienen können …

Frauen, die als Hexen bezeichnet wurden, gab es tatsächlich auch in Bad Salzuflen. Mit den schillernd-schaurigen Märchenfiguren hatten sie jedoch nichts gemeinsam. Die grausame Hexenverfolgung, die in ganz Deutschland und besonders exzessiv in der Grafschaft Lippe vollzogen wurde, hat auch in Bad Salzuflen Menschenleben gefordert.

Der Glaube an Geister und magische Praktiken war vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit nicht unüblich. Auch mit Bibelzitaten wurde die Verfolgung von Menschen gerechtfertigt, die angeblich dem gelehrten Hexenglauben folgten. Dem Irrsinn fielen Frauen, Männer und auch Kinder zum Opfer. Ihnen wurde vorgeworfen, Beziehungen mit dem Teufel zu führen oder Hexentanz und Schadenzauber zu betreiben. Für eine Anzeige reichte oft eine einfache Denunziation. Und wer erst einmal angeklagt war, der wurde meist auch gefoltert, zu Geständnissen gezwungen und schließlich hingerichtet.

Renoviert wurde es in den 1990er-Jahren. / Foto: Christopher Berndt
Renoviert wurde es in den 1990er-Jahren. / Foto: Christopher Berndt

In der Nachbarschaft der Straße Schennershagen, unweit der Stadtmauer und des Katzenturms, erbaute Frederich Wange das Haus mit der heutigen Hausnummer 9. Hier lebte er mit seiner Frau Anna. Im Jahr 1556 wurde „Anna de Wangesche“ gemeinsam mit ihrer Nachbarin „Ilse de Nottbrokesche“ in einem Zauberei- und Hexenprozess angeklagt. Nach der Überlieferung haben die Frauen ihre Geständnisse ohne Folter abgelegt. Anna sagte aus, mit dem bösen Geist „Lucifer“ eine Buhlschaft, also eine enge Beziehung eingegangen zu sein. Auf Stöcken und Schweinen reitend habe sie ihn zum Hexentanz geführt. Ein Mann, der über ihr Land gefahren war, habe von ihr zudem verzaubertes Birnenbrot bekommen. Und an Kindern, die ihre Äpfel stahlen, habe sie sich mit verzaubertem Obst gerächt.

Ilse gab zu, sich von Gott abgewandt zu haben, nachdem ihr Pferde und Kühe gestohlen wurden. Zudem sei sie eine Beziehung mit dem Geist „Vackerjann“ eingegangen. Beide Frauen wurden im November des Jahres 1556 zum Tode durch Verbrennen verurteilt und hingerichtet.

Noch heute befindet sich das Haus in der Nachbarschaft der Straße Schennershagen. // Foto: Christopher Berndt
Noch heute befindet sich das Haus in der Nachbarschaft der Straße Schennershagen. // Foto: Christopher Berndt

Schon fünf Jahre zuvor ereignete sich in Salzufflen der früheste überlieferte Hexenprozess in Lippe. Grete Wulner wurde vorgeworfen, sieben Menschen durch Schadenzauber getötet sowie mit dem schwarzen Mann und Teufel „Ffolschen“ gelebt zu haben. Zudem habe sie Grete Dresing die Hexenkunst gelehrt. Beide Frauen wurden verhört und verurteilt.

Das Anfang der 1990er-Jahre renovierte Haus von Anna Wange steht noch heute, über 470 Jahre später, an seinem Platz. Ohne Lebkuchen, aber mit einer tragischen Geschichte.

Quelle: Linde, Ronald (2007): Zwischen Renaissance und Reformation. Salzuflen vom späten 15. bis zum frühen 17. Jahrhundert. In: Meyer, Franz (2007): Bad Salzuflen. Epochen der Stadtgeschichte. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, S. 77 – 114.

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