Ein Abend voller Menschlichkeit erlebte das Publikum im voll besetzten Wartesaal des Bahnhofs. Das Liedermaching-Duo Simon & Jan präsentierte selbstvertonte Einsichten und Absichten der menschlichen Seele; es berührte dabei die Herzen, rüttelte am Verstand und reizte dramatisch das Zwerchfell.
In bester „Simon & Garfunkel”-Stimmlage und mit ausgefeiltem Akustik-Gitarrenspiel ergötzen sich die beiden Liedermacher an den verzeihbaren und unverzeihlichen Unzulänglichkeiten, die der Mensch trotz mühevoll aufgebauter Fassaden und aufgesetzter Masken nicht leugnen kann.
Simon Eickhoff und Jan Traphan singen vom Facebook- und YouTube-Junkie, der hinter all seinen enthusiastischen Kommentaren für kotzende Karnickel (LOL, grins, leider geil!) seine Einsamkeit nicht verbergen kann. Und von Menschen, die einem Hobby ohne Lobby nachgehen – kleinen Alltagsfetischen, die nie ans Tageslicht kommen sollen und von denen selbst eng vertraute Personen nichts wissen (wollen). Mit „lass mir meine Leichen, du hast doch auch einige im Keller”, werben Simon und Jan für Toleranz und Selbstreflexion.
Auch die Auslegung von Religionen (Ach Mensch!), den Umgang mit unserem Planeten (Apokalypse) und die Austauschbarkeit von Politikern thematisierten die beiden Künstler, die sich vor vierzehn Jahren als junge Lehramtsstudenten trafen, um schnell festzustellen, dass der Lehrerberuf nicht zu ihnen passte. Dass der Wechsel des Berufs und das Folgen der eigenen Berufung jedoch auch nach hinten losgehen kann, belegen Simon und Jan anhand prominenter Beispiele. Die gelernte Sekretärin Alice Schwarzer, den Konditor Heino, den Maler und Lackierer Bushido und die staatlich anerkannte Kosmetikerin Daniela Katzenberger flehen sie an: „Bleib bei deinen Leisten, du hast doch mal was Richtiges gelernt.” Leider wohl vergebens …
Vergeblich waren auch die Versuche zahlreicher Interessenten, noch Karten für Simon & Jan zu bekommen. Der Wartesaal im Bahnhof war komplett ausverkauft – auch für die kleine Mannschaft des Gleis 1 Kulturbahnhofs ein schöner und hochverdienter Erfolg. ta
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