Heilung
Timon Karl Kaleyta
208 Seiten
22,00 €
Roman
Piper Verlag

Wenn Männer nicht schlafen können, dann muss das einen Grund haben. Auch wenn dieser tief verborgen liegt. In Timon Karl Kaleytas (Die Geschichte eines einfachen Mannes) neuem Roman Heilung führt der Weg zur Erkenntnis über ein seltsames Nobelsanatorium in den Dolomiten.

Der Ich-Erzähler von Heilung kann seit Monaten nicht mehr richtig schlafen. Und was noch schlimmer ist: Er kann sich nicht erklären, warum das so ist. Schließlich läuft sonst alles rund in seinem Leben, zumindest nach seiner Definition.

Der Mittvierziger, der einst als Kunstkritiker für ein längst eingestelltes Magazin schrieb, fand seinen rechten Platz (und sein Glück), als er vor rund zehn Jahren auf die aufstrebende Künstlerin Imogen traf. Ihrem Erfolg hat er seine eigenen Ambitionen vollumfänglich untergeordnet. Seiner Imogen hat er die Regie über sein berufliches und privates Leben in die Hände gelegt. Sie heiratete ihn, beschäftigte ihn als Mädchen für alles und zahlte dafür „sogar“ ein Gehalt. Imogen stieg zur gefeierten Künstlerin auf, während sich ihr Mann um die Finanzen, die Vorsteuer und das Frühstück kümmerte.

Einzig und allein die Umsetzung ihrer Familienplanung gelang Imogen nicht. „Es war, als hätte eine höhere Macht etwas dagegen“, erkennt Kaleytas Held. „Es war, als stünde ihr etwas im Weg, und ich kam nicht umhin, zu befürchten, dass es sich dabei um mich handelte.“

Mit diesem persönlichen Werdegang, den anhaltenden Schlafstörungen und Imogens Anweisung begibt sich der massiv Übernächtigte schließlich auf einen surrealen Trip zur tieferen Selbsterkenntnis. In der noblen südtiroler Gesundheitsklinik San Vita, die vom äußerst seltsamen Professor Trinkl geführt wird, lässt sich der Ich-Erzähler auf physische und psychische Weise rundum auf die Sprünge helfen – und fast ebenso kontrollieren.

Was er in dem Resort allerdings erlebt, trägt nur wenig zu seiner wirklichen Genesung bei. Vor allem die übergriffigen Begegnungen mit Gesundheitsguru Trinkl, mit dessem Personal sowie mit einer sehr zugänglichen Mitpatientin lassen Kaleytas Helden mehr und mehr an seiner Mission zweifeln. Fluchtartig verlässt er das verschneite Sanatorium, um Zuflucht bei seinem Jugendfreund Jesper zu finden.

Dort angekommen, erlebt der Held das komplette Kontrastprogramm zum aufwändigen und kostspieligen Trinkl’schen Therapiekonzept: das einfache Leben auf dem Bauernhof. Jesper scheint seinen Traum vom Leben wirklich wahrgemacht zu haben, während der Heilungssuchende in jeder Hinsicht seinen Träumen hinterherjagt. Immer entschlossener und immer verzweifelter.

Heilung von Timon Karl Kaleyta ist eine surreale Achterbahnfahrt mit unbekannter Endstation. Der Roman bewegt sich zwischen Thomas Manns Zauberberg und Roman Polanskis Tanz der Vampire, ohne allerdings (Achtung: Spoiler) wirklich ins Metaphysische abzudriften. Das Grauen, das Unbehagen und die Heilung werden ausschließlich aus der Sicht des Ich-Erzählers beschrieben – und somit auch durch ihn definiert. Jede Wahrheit liegt im Auge ihres Betrachters.

Rainer Tautz

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