Es gibt Dinge, die sind einfach out!
Manche sind sogar so out, dass man schon gar nicht mehr glaubt, dass es sie noch gibt. Zum Beispiel, draußen nur Kännchen zu servieren.
„Draußen nur Kännchen“ ist so out wie 4711, Tabac, Sigurd, Stocknägel, Vico Torrianis „Der Goldene Schuss“ und Clemens Wilmenrods „Toast Hawaii“ zusammen.
In Zeiten von Starbucks & Co, Espresso, Latte Macchiato und sonstigen Heißgetränken, die auch in Bad Salzuflen immer mehr den Italiener in uns wecken und mediterrane Lockerheit versprühen, erscheinen „Kännchen“ genauso out wie Korsetts, Sputniks oder Dinosaurier: Wie aus einer anderen Welt und eigentlich bereits als museumsreif abgelegt.
Nicht so in Bad Salzuflen. Jüngst lud uns ein Lokal am Kurpark zu einem wirklich plauschigen Herbstnachmittag.
Die Tische auf der Terrasse waren zwar verwaist, doch lockte eine Tafel mit heißen Waffeln. Hier trägt der Ober noch Livree, was mich hätte stutzig machen sollen. Denn als ich zur Waffel die Tasse Kaffee bestellte, erfolgte der Satz, den ich seit meiner Jugend nicht mehr vernommen hatte:
„Draußen nur Kännchen.“
Mein Freund Günni, der Philosoph, hatte wie immer eine Erklärung für das Phänomen: „Ich habe dafür Verständnis, dass es das einmal gegeben hat: Wahrscheinlich waren die Kellner früher höchst begehrte Fachkräfte, so dass man sie bei Laune halten musste. Damit sie nicht so oft hin und her laufen mussten. Also gab’s draußen nur Kännchen.“
„Und lauf du mal mit zehn Tassen auf dem Tablett zwischen den Touristen herum“, nahm auch Heike meinen Kellner in Schutz.
„Da lob ich mir jeden Kännchen-Besteller.“
„Ja, aber ich habe ja noch nicht einmal die Wahl. Außerdem sind wir die einzigen Gäste. Und trotzdem gibt’s nur Kännchen. Das ist so, als wenn ich draußen ein Schnitzel bestelle und bekomme zwei. Oder – in (ich nenn den Namen nicht) einem stadtbekannten Etablissement zwei Damen statt eine! Oder gleich zwei Bier…“
„Gut, dass es Bier noch nicht in Kännchen gibt!“, seufzt Günni. „Prost!“
„Das wäre doch eine Idee, um unsere städtische Haushaltskasse aufzufüllen: Statt einem Bewohnerparkplatzausweis musst du zwei kaufen, die Hundesteuer wird verdoppelt und die Parkzeit in den Parkhäusern halbiert. Ohne Diskussionen!“, schlägt Heike vor.
„Da drehen sie doch sowieso schon dran. Jetzt wollen sie auch noch die Brötchentaste abschaffen.“
„Apropos Brötchen“, fragt Günni. „Erklär mir mal, wieso ich im Marktkauf meine Brötchen kaufen darf, nicht aber gegenüber, wenn da dieser „Wir können nur lecker“-Bäcker aus Schötmar seinen Laden aufmachen will?“
„Das ist wie mit den „Kännchen nur draußen“, erkläre ich. „Du bekommst hier nicht das, was und wo du es willst, sondern so und dort serviert, wie es ein paar „Kännchen nur draußen“-Vertreter uns vorschreiben. Deshalb kauft halb Salzuflen nicht hier, sondern in den Nachbarstädten ein. Und darum wiederum haben wir ein gewaltiges Haushaltsloch, schließen Schwimmbäder und Schulen, knüppeln Sport und Kultur und müssen nachts die Laternen ausschalten.“
„Wie wär’s, wenn wir ganz Bad Salzuflen als Zombie-Zone deklarieren: Mit draußen nur Kännchen, 4711 und Tabac-Reklame im Douglas-Schaufenster, Sigurd-Ritterspielen im Kurpark, Vico Torriani-Doubles, die durch die Fußgängerzone schlendern, und den Toast Hawaii gibt’s hier eh noch in jedem zweiten Café“, schlägt Günni vor.
„Das lockt zumindest die Touristen an!“
„Und die Stocknägel?“, fragt Heike
„Daran wird’s wohl scheitern“, zucke ich die Schultern. „Aber wie wär’s mit ein paar Sargnägeln? Und dann nageln wir die ganze Innenstadt dicht!“