Juror #2
Clint Eastwood
Mit Nicholas Hoult, Zoey Deutch, Kiefer Sutherland, Toni Collette, J.K. Simmons, Leslie Bibb
114 Minuten
Drama, Thriller
Warner Bros. Entertainment


Juror #2 erhält von uns

4 von 5 Sternen

Für Justin Kemp ist es gerade ein ziemlich ungünstigster Zeitpunkt, um als Geschworener für einen Mordprozess berufen zu werden. Denn seine Ehefrau Ally befindet sich gerade im letzten Teil einer Risikoschwangerschaft. Dennoch kann der Journalist seine Berufung nicht verhindern und muss als „Juror #2“ zusammen mit elf anderen Geschworenen darüber entscheiden, ob der Angeklagte James Sythe seine Lebensgefährtin getötet hat. Doch es geht nicht nur um die Wahrheitsfindung, und schnell muss Kemp erkennen, dass ihn der Fall auch persönlich betrifft.

Mit „Juror #2“ legt Clint Eastwood bereits seinen 41. Spielfilm als Regisseur vor. Vermutlich wird es das letzte Werk des 94-jährigen Hollywood-Urgesteins sein. Die Besetzung ist auf jeden Fall eines Finales würdig.  Vor allem Nicolas Hoult, den Superheldenaffine noch aus den „X-Men“-Filmen kennen könnten und der gerade erst in „Nosferatu – Der Untote“ zu sehen war, überzeugt in der Hauptrolle als unsicherer Geschworener. Als hin- und hergerissene Staatsanwältin gefällt zudem Toni Colette („The Sixth Sense“). Selbst in den Nebenrollen finden sich Top-Schauspieler wie J. K. Simmons („Whiplash“) oder Kiefer Sutherland („24“).

Stellenweise erinnert das Gerichtsdrama an „Die zwölf Geschworenen“. Allerdings liefert Eastwood anders als in dem berühmten Filmklassiker kein Kammerspiel, sondern präsentiert einen facettenreicheren Entwurf. Ihm geht es nicht nur darum, gruppenpsychologische Prozesse zu erkunden und zu zeigen, wie zwölf Menschen über Schuld oder Unschuld debattieren und dabei von ihren unterschiedlichen Lebenserfahrungen beeinflusst werden. Er beleuchtet auch das Umfeld des Prozesses. Wo „Die zwölf Geschworenen“ auf den maximalen Fokus setzt, versucht sich „Juror #2“ an einer detaillierten Totale: Da ist etwa die Staatsanwältin, die für ihre Karriere einen Schuldspruch benötigt, der mit einer Vielzahl von Straffällen überlastete Pflichtverteidiger oder eben die in den Fall verstrickte Hauptfigur. Das alles bringt Clint Eastwood relativ gut unter einen Hut, auch wenn sein Werk bei einzelnen Aspekten dann doch nur an der Oberfläche kratzt.

Der Film spielt immer wieder geschickt mit Bildern. So zeigt er die hochschwangere Ally mit Augenbinde zu Beginn komisch-ironisch als eine Variante von Justitia. Die Gerechtigkeitsgöttin findet sich dann als Statue auch vor dem Gerichtsgebäude, und es ist sicherlich kein Zufall, dass deren ikonische Waagschalen sichtlich schwanken. Gleichzeitig liefert „Juror #2“ einige sorgfältig konstruierte Dialoge, die unter der Oberfläche oft noch mehr andeuten sowie sich teilweise auf ganz andere Personen beziehen (lassen). Das ermöglicht es dem Film auch angenehm unaufdringlich sowie oft eher indirekt über Themen wie Schuld und Unschuld, Moral und Verantwortung zu verhandeln.

„Juror #2“ lässt vieles in der Schwebe, liefert keine definitiven Antworten und bleibt ambivalent. Das lässt sich aber auch als Stärke des Gerichtsdramas interpretieren, das buchstäblich bis zur letzten Einstellung spannend bleibt. Dabei könnte besonders der Schluss das Publikum polarisieren. Vor dem finalen Schlussakkord plätschert die Handlung zwar etwas dahin. Hier scheint es fast so, als sei Clint Eastwood klar, dass dieses Werk sein letztes sein wird und er dessen Ende deshalb noch etwas weiter hinauszögern möchte. Das schmälert den positiven Gesamteindruck allerdings kaum.

„Juror #2“ ist mehr als nur eine Verbeugung vor dem Klassiker „Die zwölf Geschworenen“, sondern ein gelungenes Gerichtsdrama, das durch Ambivalenz und Spannung punktet sowie unaufdringlich Fragen von Moral und Schuld thematisiert. Mit seinem besten Film seit etwa 15 Jahren könnte Clint Eastwood auf jeden Fall beruhigt in Rente gehen – auch wenn es angesichts der Qualität dieses Werks ein echter Verlust für Hollywood und Filmfans wäre.

Neugierig geworden? „Juror #2“ ist in der Filmbühne in Bad Salzuflen zu sehen.

Ingo Gatzer

Der Trailer zur Juror #2:

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