Bis die Sonne scheint
Christian Schünemann
256 Seiten
Hardcover: 25,00 €
Roman
Diogenes

Ein Junge, eine Kleinstadt, die Achtziger. Alles ziemlich grau in grau, innen wie außen – aber nicht ohne Charme. Christian Schünemann entführt in seinem Roman nach Norddeutschland, irgendwo zwischen Provinz, Perserteppich und Bremen, ins Jahr 1983. Daniel, 14, Konfirmand in spe, lebt in einer Familie, in der alle irgendwie bemüht sind, aber das Ergebnis bleibt trotzdem übersichtlich. Man lebt halt. Und zahlt die Rechnungen nicht. Dabei hätte alles so einfach sein können.

Denn Daniels Eltern ging es vor einigen Jahren zumindest finanziell mal recht ordentlich. Sie waren „auf der sicheren Seite“ angekommen – doch irgendwann wollten sie mehr vom Leben. Heute ignorieren sie ihre finanzielle Notlage mit der gleichen Entschlossenheit, mit der andere Leute ihre Balkonpflanzen gießen. Sie wissen es, und sie wissen, dass sie es wissen, aber sie tun so, als wäre das ein Problem von morgen. Und morgen ist bekanntlich ein noch schlechterer Ratgeber als die Angst. Bis dann irgendwann der Gerichtsvollzieher Herr Kuhn klingelt – die personifizierte Realität, ein Mann mit Aktentasche und der beharrlichen Neugier eines hungrigen Waschbären. Und was machen die Eltern: Augen zu und ab ins Möbelhaus, ins Nobelrestaurant – und schließlich in den Süden. Eskapismus vom Feinsten.

Schünemann beschreibt das alles mit einem Blick, der weder urteilt noch verklärt. Es ist, wie es ist, und meistens ist das tragisch-komisch. Oder komisch-tragisch. Und über allem liegt dieser 80er-Jahre-Dunst – nicht als schrille Retrospektive mit Vokuhila und Nena-Gekreische, sondern als fein austarierter Hintergrundgeruch nach kaltem Zigarettenrauch und süßen nimm2.

Was Schünemann außerdem gelingt: Er erzählt von den Wendungen des Lebens. Den geplanten, den ungeplanten, den selbstverschuldeten und den einfach nur passierten. In den bewegenden Biografien der Generationen – den Eltern, den Großeltern, sogar in Daniels zartem Hadern mit seiner Rolle – steckt die ganze Tragik des Lebens. Wer wagt, gewinnt längst nicht immer. Und wer nicht wagt, hat wahrscheinlich schon verloren.

Und trotzdem: Bis die Sonne scheint will kein bleischweres Drama sein. Kein Roman, an dem die gute Laune der oder des Lesenden zerbricht. Stattdessen flattern die Seiten des Buchs locker und leicht durch die Finger, während die Buchstaben einem mit leicht belegter Stimme ins Ohr murmeln: „Hätte auch anders kommen können. Ist es aber nicht.“ Und irgendwie ist das auch okay.

ta

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