Voehls Welt Oktober 2011
Von Uwe Voehl. Illustration von Ulrich Tasche
Steve Jobs ist tot. Steve Jobs war dieser Multimilliardär, der all diese unnötigen Dinge erfunden hat: den iPod, das iPhone und – für Extremgrobmotoriker – das iPad. Also all die Sachen, die uns davon abhalten, unser Privatleben von Beruflichem zu trennen oder wenigstens Privates privat bleiben zu lassen.
Wer unter dreißig ist, kann sich das heute wahrscheinlich nicht mehr vorstellen: Telefoniert wurde früher ausschließlich in den eigenen vier Wänden. Es war Privatsache. Heutzutage kann ich mich entscheiden, ob ich im Biergarten meinem jungen Nachbarn rechts zuhöre („Ey, geil ey, Junge, super ey…“) oder lieber geschäftlichen Transaktionen lausche („Frau Schüssel? Verbinden Sie mich doch bitte schnell mal mit – äh irgendwem. Ja, wir kaufen das Internet!“).
Es gibt ja Leute, die bestreiten, dass J. F. Kennedy erschossen wurde. Ich hingegen behaupte: Steve Jobs war ein Gesandter der Hölle, und iPhones zapfen euer Gehirn an!
Spätestens als auch Hüsni und Günni plötzlich mit diesen Dingern rumfuchtelten, wusste ich, dass die Welt nicht mehr zu retten war.
„Mit meiner Radio-App hör ich jetzt Radyo Istanbul. Ganzen Tach. Und wenn ich Hunger hab auf Döner, sacht mir meine Döner-App, wo beste Döner gibt.“
„Und dann fliegst du nach Istanbul?“
„Nö, rüber zu Yol.“
Ich seufzte. Auch ihm hatte das iPhone bereits das Hirn ausgesaugt. „Was sagst du zu dem Unsinn, Günni?“, fragte ich.
Günni war damit beschäftigt, sein iPhone zu schütteln.
„Wackelkontakt?“
„Nein, neueste App. iMilk!“ Er erklärte es mir: Durch die Schüttelbewegungen ließ er auf dem Bildschirm Milch aufschäumen. Natürlich keine echte. Sondern virtuelle. Als der Bildschirm voll war, erfolgte ein Rülpsen. „Und das für nur 2 Euro 39!“
Waren denn meine besten Freunde plötzlich alle verblödet?
„Hätte Steve Jobs den Hulla-Hoop-Reifen erfunden oder Heavy-Metal-Frisuren, würde heute wahrscheinlich die halbe Erdbevölkerung damit herumlaufen. Und vor allen Dingen: Eine Menge dafür zahlen. Viel mehr, als die Dinger wert sind! Und wenn er euch den iErkocher erfunden hätte, würdet ihr heute eure Eier alle unterwegs kochen!“, versuchte ich zu provozieren.
„Das ist Gotteslästerung“, stoppte mich Günni. „Es gibt Gerüchte, Jobs sei nun im Himmel dabei, den iGod zu erfinden. Begreifst du? Ich Gott! Er ist Gott.“
„Wer bereits auf Erden so viele Jünger hatte, dem sei das Gottsein vergönnt“, sagte ich einlenkend.
„Wie ich den Steve kenne, wird er sich dennoch keine Kirchenpaläste bauen lassen, sondern sich mit einem einfachen Grab zufrieden geben. Und auf dem Grabstein wird statt seines Namens nur ein einziger Buchstabe stehen: i. ein einfaches schlichtes i!“, prophezeite Günni.
Ich wandte mich an Jürgen. „Noch‘n Bier!“
„Real oder virtuell?“, fragte er. „Seitdem ich iBier auf der Karte habe, ist mein Umsatz um zwanzig Prozent gestiegen. Übrigens: AC/DC haben angeblich einen neuen Song rausgebracht. Ist aber gar nicht neu. ‚Highway to hell‘ – nur rückwärts gespielt.“
Er hielt mir sein iPhone hin, und ich hörte erbleichend, wie Brian Johnson mit der Stimme eines satanischen Oberpriesters „iWay to hell“ intonierte.
Seit dem Abend weiß ich es mit Gewissheit: Steve Jobs bastelt nicht am iGod. Im Gegenteil: Er wurde von Satan gesandt, damit die Leute hier oben iPhones kaufen.
PS: Diese Zeilen wurden mit einem PC geschrieben.

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