„Thorsten, hau ihn raus…!“ Dieser Ruf schallt so oder ähnlich jeden Tag durch die Soccer Arena in Bad Salzuflen. Den Ball einfach nur hinten raus hauen, das schaffen die meisten aktiven Fussballer mit einer leichten Kraftanstrengung. Im Fall von Thorsten ist es allerdings etwas besonderes, da der 46-jährige seit seiner Geburt unter dem Down-Syndrom leidet. Die Mitspieler klopfen ihm aufmunternd auf die Schultern, wenn er den Ball richtig trifft.

Thorsten ist eines von knapp 20 Mitgliedern der „Blue Bee Three“, die heute zum Kicken angetreten sind, weitere 15 tummeln sich am Spielfeldrand oder an der Theke. Sie alle haben geistige Behinderungen und leben in betreuten Wohngruppen der Lebenshilfe oder von Eben-Ezer. Das alle zwei Wochen stattfindende Training ist für viele von ihnen ein absolutes Highlight und sie freuen sich schon Tage im voraus darauf.

Insgesamt knapp 70 Mitglieder verzeichnet der Verein zur Zeit, von denen etwa 75% auch regelmässig am Vereinsleben teilnehmen, erklärt Peter Heckmann, der 2007 die Truppe ins Leben gerufen hat und seitdem auch regelmäßig ehrenamtlich das Training und die verschiedenen Veranstaltungen organisiert und leitet. Neben dem aktiven Sport stehen auch regelmässig Besuche der Spiele von Arminia Bielefeld auf dem Programm, die „Blue Bee Three“ ist nämlich nicht nur ein integrativer Sportverein, sie ist auch seit Gründung ein offizieller Fanclub der blauen. Auch hier kam die Initiative von Heckmann, der selbst ehrenamtlich als Behindertenbetreuer bei der Arminia tätig ist. So wird auch nach Möglichkeit ab und zu eine gemeinsame Auswärtsfahrt mit den befreundeten „Alm-Rollis“ organisiert. Gute Kontakte hat Heckmann auch zu verschiedenen anderen Fanclubs des DSC geknüpft, es wird etwa zwei mal im Jahr an Fanclub-Turnieren teilgenommen, fast schon legendär ist der Turniersieg bei „Crazy Blue DSC“ im heissen Sommer 2010 in Bielefeld.

Stolz ist Peter Heckmann auf die vor etwa 3 Jahren durchgesetzte generelle Absenkung der Eintrittspreise für Behinderte bei Spielen in der Schüco-Arena. Gab es vorher lediglich eine Ermäßigung auf die regulären Ticketpreise, zahlt man heute nur 6,-€ pro Person und hat neue reservierte Bereiche, die entsprechend ausgestattet sind. An dieser Entwicklung hatte die „Blue Bee Three“ durch ihre Initiative einen nicht unerheblichen Anteil. Um diese gelebte Integration nach außen hin zu verdeutlichen, gab es jüngst einen Fototermin, zu dem man mit Mitgliedern verschiedener anderer Fanclubs aus Bielefeld und Hamburg angetreten ist. Das Ergebnis ist bald auf den Plakaten der aktuellen Kampagne „Wo stehst du?“ von Arminia Bielefeld zu bewundern, die sich mit der Integration unterschiedlicher „Randgruppen“ im Fußball beschäftigt.

In der Halbzeit treffe ich Manfred Claus, der seit Vereinsgründung 2007 im Vorstand des Vereines ist. Er und zwei weitere Vorstandsmitglieder leiden wie viele andere Vereinsmitglieder an einer frühkindlichen Gehirnschädigung, die sie aber nicht davon abhält, eigenständig alle organisatorischen Aufgaben der Vereinsführung zu bewältigen. Lediglich aus rechtlichen Gründen wird der Vorstand durch Betreuer komplettiert. Ein bisschen wehmütig berichtet „Manni“, dass er selbst aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr aktiv spielen könne, aber natürlich trotzdem immer mit von der Partie ist. Er bekräftigt noch einmal, dass der Verein für jedermann und -frau offen ist und jeder eingeladen ist, mal beim Training vorbei zu schauen.

„So Jungs, sind wir zum Quatschen hier oder zum Fußball spielen“ ruft Betreuer Thomas Pallmann, als sich die Halbzeitpause zur abendfüllenden Veranstaltung zu entwickeln scheint. Er erklärt, das wichtig sei, mit allen Sportlern so normal wie irgend möglich umzugehen und keinen „in Watte zu packen“. Und dazu gehört eben auch ein zuweilen recht rauer Ton auf und neben dem Spielfeld. „Na klar, die Jungs kriegen auch einen mit, wenn sie nicht richtig laufen“ sagt er mit sympathischen bayerischen Dialekt und einem Augenzwinkern.

Während des Spiels, dass mit zunehmender Spieldauer etwas unübersichtlich wird, kommt es hier und da auch mal zu einem Fehltritt, eine ernsthafte Verletzung hat es aber trotz des zum Teil ungewollt harten Einsatzes mancher Spieler bisher noch nicht gegeben. Bei kleinen Blessuren, die trotz aller Vorsicht manchmal nicht ganz auszuschließen sind, ist fast immer Betreuer Andre Priebe zur Stelle und findet ein ums andere mal tröstende und aufmunternde Worte. Auf dem Höhepunkt der Spannung gibt es einen umstrittenen und in der Folge viel diskutierten Elfmeter, den Libero Thorsten trotz eines strammen Schusses aufgrund einer Glanzparade des gegnerischen Torhüters nicht verwandeln kann.

Ein toller Abend mit der „Blue Bee Three“ neigt sich dem Ende. Die Mädels und Jungs haben mich mit offenen Armen empfangen, sie haben gejubelt und sich geärgert, sie haben gekämpft und alles gegeben. Ein Verein, in dem mit viel Spaß und Herzblut Sport getrieben wird. Wie in den meisten Vereinen sind aber auch bei der „Bee“ alle Betreuer ehrenamtlich tätig und es gibt keinerlei staatliche Zuschüsse. Dadurch fehlt für die eine oder andere größere Aktion auch manchmal noch ein wenig Geld, das dann nicht selten von den Betreuern selbst beigesteuert wird und Förderer und Sponsoren sind immer herzlich willkommen.

Möglichkeiten, den Verein zu unterstützen sowie weitere Informationen und Fotos finden sich auf der vereinseigenen Homepage www.blue-bee-three.de.

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Kommentare

Bunsenstrasse feiert den hervorragenden Artikel!!! Danke dafür!!!
BIELEFELD!!! :)