Es rockt, es drückt, es swingt und groovt und es ist einfach nur sehr schön.
Es rockt, es drückt, es swingt und groovt und es ist einfach nur sehr schön.

Selbst ich, als eingefleischter Aerosmith Fan, war skeptisch was da auf uns zukommen würde, als die Nachricht durchsickerte, dass Aerosmith nun wirklich ein neues Studioalbum veröffentlichen würden. Das Erste seit Honkin’ On Bobo von 2004, was ja ein Blues Cover Album war.

Skeptisch insofern, weil Aerosmith in den vergangenen Jahren eher durch Skandale statt durch neue Songs auf sich aufmerksam machten. Trennungsgerüchte (Steven Tyler war sogar als Leadsänger von Led Zeppelin im Gespräch), Krankheiten (Krebs bei Bassist Tom Hamilton, Burnout bei Drummer Joey Kramer und Entzugsklinik-Aufenthalte bei Steven Tyler), Unfälle (Steven stürzt von der Bühne und bricht sich einige Rippen) und American Idol (Steven Tyler war Jurymitglied der letzten Staffeln. Pro Staffel soll er 20 Mio. US Dollar bekommen haben.)

Och, für das Geld würde ich mir auch den ganzen Quatsch anhören. Obwohl man sagen muss, dass bei den Amerikanern wirklich ein ganz anderer Standard herrscht. Da kann der eine oder andere richtig gut singen. Da ist auch mal ein Ausnahmetalent dabei. Was man von deutschen Casting-Shows, mit Ausnahme von Voice Of Germany, nun wirklich nicht behaupten kann. Hierzulande ist höchstens mal ein Ausnahme-Patient dabei. Schwer gestörte Persönlichkeiten. Frei nach dem Motto „Aber ich kann echt singen, ich habe auch seit zwei Monaten Gesangsunterricht bei meiner Blockflötenlehrerin in Oberunterseiten Urselbach.“

Da wäre ich ja lieber bei ’ner Wurzelbehandlung beim Zahnarzt, als da zuhören zu müssen. Das liegt vor allem daran, dass das, was unsere deutsche Volksmusik und Schlager ist, in Amerika Country, Blues, Jazz, Rock und Pop entspricht. Da sind die klar im Vorteil. Auch was die Qualität der Jury betrifft. Wenn in Ami-Land mal einer die Töne nicht trifft, singt Jennifer Lopez oder Steven Tyler das mal kurz vor. Denn die können das ja. Wer zum Teufel soll das denn bei uns machen? Bruce Darnell? Thomas Gottschalk? oder die Avon-Beraterin in der Mitte, von der niemand weiß, wie Sie heisst oder etwa Dieter Bohlen? Jetzt macht mal ’nen Punkt. Ich will den nie nie wieder singen hören. Oder vielmehr „Playback so tun, als ob er sänge“.

Aber zurück zu den Leuten, die das richtig können, denn Aerosmith sind wieder da und wie! Aerosmith haben ernst gemacht und sind mit ihrem Produzenten Jack Douglas (Douglas produzierte schon die sehr erfolgreichen Aerosmith Alben Toys In The Attic, Rocks u.a. aber auch The Who, John Lennon, Slash, Supertramp, Miles Davis uvam.) in diverse Studios in Los Angeles gegangen und haben fünfzehn erstklassige Songs aufgenommen.

Dabei hat die Band die Songs zusammen live eingespielt und dann nachträglich ausgebessert und Spuren hinzugefügt. Das gibt der CD im Gesamtsound einen harmonischen und menschlichen Touch mit viel Feel. Hier wird nicht extra die „Retro: Alt & Staubig“-Schublade bedient. Denn es ist eine druckvolle, ausgecheckte und zeitgemäße Produktion.

Das Album ist sehr abwechslungsreich. Es sind einige Classic Rocker vertreten wie z. B. Luv XXX, Oh Yeah (Old School Rock´N´Roll inkl. sehr gutem Backing Chor), Out Go The Light, Street Jesus (Hard Rock) oder Lover Alot, aber auch etwas moderner, experimenteller anmutene Songs wie Beautiful (mit angerappten Verses), Closer oder Legendary Child.

Dazu gesellen sich Songs wie Tell Me (Mid Tempo 6/8tel Folk-Rocksong) oder dem sehr schönen Country lastigem Can’t Stop Loving You das Steven im Duett mit Country-Star Carrie Underwood singt. Und natürlich dürfen auf einem Aerosmith Album Balladen nicht fehlen. Davon gibt es mit What Could Have Been Love, We All Fall Down (von Diane Warren geschrieben, die auch schon den Aerosmith Welthit I Don’t Want To Miss A Thing schrieb) und Another Last Goodbye drei Weltklasse-Songs.

Was Steven Tyler da gesanglich auspackt, ist absoluter Wahnsinn. Ich wage zu bezweifeln, dass irgendein anderer Sänger das auch nur ansatzweise so emotional und gekonnt hätte umsetzten können. Und auch was das Songwriting betrifft, wissen die Herren das ein oder andere Mal zu überraschen. Was bei der Anzahl schon erschienener Rockalben ja sehr schwierig ist.

Dennoch gibt es z. B. bei What Could Have Been Love Harmoniewechsel zum Chorus, die eigentlich schwierig sind. Aber nicht wenn man einen Steven Tyler hat, der mit den excellenten Gesangslinien alles zusammenhält. Oder bei dem hervorragendem We All Fall Down herrscht vor dem Chorus absolute Stille. Das hört man selten. Aber sagte nicht schon B. B. King „Es sind auch die Pausen zwischen den Tönen, die Musik und Melodie machen.“? Wenn man sich mit jemandem unterhält, schreit man sich ja auch nicht durchgehend an. Man muß auch mal Ruhepunkte zum Nachdenken und Wirken setzten. Tyler ist auch im fortgeschrittenen Alter mit Abstand die beste Rockstimme auf diesem Planeten. Er schreit, singt, seufzt, rotzt, haucht, scattet. Das ganze Programm. Hut ab! Die Band klingt ehrlich und gut produziert.

Einziger Kritikpunkt für mich ist das mit „Freedom Fighter“ (mit Bandkumpel Johnny Depp Backing Vocals) und Something (erinnert im Intro an Zeppelins Kashmir) zwei Songs von Joe Perry gesungen werden. Joe Perry ist wahrlich ein ganz großer an der Gitarre – am Mikrofon ist er es auf jeden Fall nicht. Wenn Joe singt, hat das zwar auch seinen ganz eigenen Charme, irgendwo zwischen Lou Reed, Willie Nelson und Keith Richards und die Songs sind auch echt gut, aber wenn man einen Steven Tyler in der Band hat, wird’s echt eng. Der Grund warum er es trotzdem singt, ist dass Joe die Songs alleine geschrieben hat und Sie deswegen vielleicht besser fühlt. Aber da hätte ich Joe mehr Objektivität gewünscht. Bei Something sitzt Steven Tyler an den Drums. Dem war ja auch langweilig. Gottseidank singt er die anderen 13 Tracks.

Da schrieb doch ein Metal-Magazin, dass das Album mit den Balladen zu weich ist oder eben Mainstream (als Schimpfwort). Ja Herrgott was heißt denn Mainstream?! Richtig. Viele Menschen kaufen das und viele Radiostationen spielen das, weil es den Menschen anscheinend gut gefällt. Was ist schlecht daran? Nichts. Die schreiben einfach Musik die viele Leute begeistert.

Aerosmith haben mit einigen anderen Bands (Black Sabbath, Deep Purple, Led Zeppelin, Link Wray) den Hardrock und Metal auf den Weg gebracht. Aber Sie haben mehr zu sagen, als nur eine Facette ihres Schaffens endlos zu wiederholen. Ja ich weiß, bei AC/DC oder Motörhead geniesse ich es auch sehr, dass man vorher schon weiß, wie das nächste Album klingt. Aber die sind auch Gefangene ihres Sounds. Wenn AC/DC eine Ballade mit Klavier und Streicher rausbringt, können die den Laden abschliessen. (Was bei ca. 300 Mio. verkaufter Tonträger jetzt aber auch nicht so schlimm wäre).

Aerosmith machen intelligente Rockmusik mit gut arrangierten Songs, herrvoragender Bandleistung mit fetten Drums, fantastischen Gitarrensounds und tollem Songwriting. Ich kann dieses Weinen nicht mehr hören, dass Bands die viele Alben verkauft haben dann plötzlich uncool sein sollen. Ich höre Bands, wenn mir ihre Musik gefällt. Völlig egal, ob ich der einzige bin der sie hört oder die ganze Welt. Es muss mir gefallen. Übrigens auch die Musikrichtung ist völlig egal. Es gibt nur zwei Arten von Musik. Gute und schlechte.

Was ist Popmusik? Richtig. Populäre Musik. Sprich angesagte Musik, von der viel verkauft wird. Ergo ist Metallica eine Pop Band. Und AC/DC, Alter Bridge, Pantera, Slipknot und Ozzy? Alles Popbands. Wollte ich nur mal gesagt haben.

Fazit:
Natürlich ist das alles Rockmusik, aber Aerosmith haben ihren ganz eigenen Groove und Stil. Es rockt, es drückt, es swingt und groovt oder es ist einfach nur sehr schön. Im Songwriting und bei manchen Parts fühle ich mich oft an The Beatles, Stones, Led Zeppelin und eben Aerosmith erinnert aber das im sehr positivem Sinne und im druckvollem Soundgewand der Jetztzeit. Absolute Kaufempfelung.

Aber nicht soviel, sonst heißt es wieder die wären sooo Mainstream. Aber Ihr könnt ja auch alle illegal brennen. Aber das ist eine andere von vielen Geschichten. Ich höre jetzt ersteinmal diese komerziell echt erfolgreiche Band aus Boston. Wo der Sänger so einen riesengroßen Mund hat, immer alle Frauen bekommt und immer Drogen nimmt.

In Wahrheit höre ich sie, weil Music From Another Dimension einfach ein sehr gutes Album ist.

Cheers
Kay W. Sly

Echt witzig: Da erbettelt man sich von Kay „Dajana Loves Paisley“ Sly einen persönlichen CD-Tipp, wartet fünf Wochen auf das Ergebnis und was schickt einem der Kerl? Eine Rezension zur Scheibe, die wir selbst im November empfohlen hatten. Was soll’s: Schließlich spricht das für unseren eigenen exzellenten Musikgeschmack.

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