Unter weitem Himmel
Berit Glanz
256 Seiten
Hardcover: 24,00 €
Roman
Berlin Verlag

Mit leiser Intensität erzählt Berit Glanz in „Unter weitem Himmel“ von Menschen, die zwischen Nähe und Ferne, Herkunft und Neuanfang ihren Platz suchen. Zwei Lebensgeschichten, mehr als ein Jahrhundert voneinander entfernt, spiegeln sich in Fragen nach Zugehörigkeit und Veränderung.

Um 1900 begegnen sich der bretonische Fischer Olier und die junge Isländerin Sólrún in einem französischen Krankenhaus an der Ostküste Islands. Sie verstehen kaum einander, und doch entsteht zwischen ihnen eine stille Vertrautheit – durch Gesten, Blicke und ein tröstendes Lied. Ein halbes Jahr später kehrt Olier zurück, verliebt sich, verletzt sich und bleibt auf der Insel, während Sólrúns Bruder seinen Platz auf dem Fischerboot einnimmt. Durch kleine, unspektakuläre Verschiebungen, die sich fast von selbst ergeben, verändert sich das Leben der Menschen nachhaltig.

Über hundert Jahre später reist die deutsche Genetikerin Maris in dieselbe Landschaft. Sie arbeitet an einem Forschungsprojekt über eine Schafchimäre – ein nüchternes, wissenschaftliches Vorhaben, das offenbar nur wenig mit der halbherzigen Suche zu tun hat, die sie seit Jahren begleitet: der nach ihrem unbekannten Vater. An die eigene Biografie tastet sich Maris nur zögerlich heran, ohne sich wirklich zu nähern. Aus Vorsicht? Oder zweifelt Maris daran, dass die Antwort überhaupt eine Bedeutung für sie hätte? Erst als sich ihr Leben im Hier und Jetzt neu ausrichtet, als eine Beziehung möglich wird, erkennt sie, was sie wirklich suchte: nicht Herkunft, sondern Verbindung.

Das Leben geschieht

Berit Glanz schreibt in einer Sprache, die zurückhaltend ist, zugleich aber präzise und feinfühlig in ihren Beobachtungen. Nichts wird erklärt, nichts betont – das Leben in Island geschieht einfach. Und gerade dadurch entfaltet sich eine eigentümliche Spannung. Die Weite Islands und die Enge der Insel, das Schweigen zwischen den Figuren, das langsame Entstehen von Vertrauen: all das macht das Buch lesenswert.

„Unter weitem Himmel“ ist ein Roman der feinen Töne. Kein Buch über Ereignisse, aber über Schicksale und das Leben dazwischen. Über Menschen, die ihr Glück suchen oder sich vom Glück finden lassen wollen – an einem Ort, der sich trotz seiner Rauheit und Schroffheit irgendwann vertraut anfühlt.

ta