Foto Julian Begemann
Eigentlich gelernter Bäcker, aber seit 6 Jahren Pflegehelfer aus fester Überzeugung: Julian Begemann im Salzstreuner-Interview // Foto: ta

Wäre der Begriff Gutmensch nicht längst negativ besetzt, würde man Julian Begemann gern ein T-Shirt mit gleichlautendem Print überziehen. Doch wahrscheinlich wäre das dem 30-jährigen Wahl-Wüstener ohnehin nicht recht. Sich in den Dienst von hilfebedürftigen Menschen zu stellen, ist zwar genau sein Ding. Doch Schulterklopfen, Lobhudeleien und Ehrerbietungen braucht er dafür nicht. Das gute Gefühl, das Richtige zu tun, reicht ihm. Wir haben Julian Begemann nach seiner Frühschicht im Stift zu Wüsten angetroffen. Hinter ihm lag ein erfüllender Arbeitstag.

Vom gelernten Bäcker zum Pflegehelfer – wie geht das?
Das geht vor allem schnell. Nämlich dann, wenn man sich tatsächlich einmal mit einem Menschen befasst, der Hilfe benötigt. Bei mir war es die Begegnung mit einem älteren Mann. Im Stift zu Wüsten wurde ein ehrenamtlicher Mitarbeiter gesucht, der mit diesem älteren, demenziell veränderten Herrn spazieren gehen sollte. Ein Kumpel von mir, der als Mitarbeiter des Stifts in dem Wohnbereich des Mannes tätig ist, erzählte mir davon.

Und dann haben Sie sofort im Stift angeheuert?
Erst einmal habe ich mich in meiner Freizeit um diesen Herrn gekümmert. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und die ehrenamtliche Arbeit gefiel mir außerordentlich gut. Da ich mich beruflich sowieso umorientieren wollte, beschloss ich im Stift zwei Tage zu hospitieren. Dann ging es sehr schnell: Ich nahm eine Stelle als Jahrespraktikant an und danach eine Vollzeitstelle als Pflegehelfer im Stift. Das war am 1. November 2012.

Kaum jemand möchte in der Pflege arbeiten. Wieso Sie?
Früher hätte ich mir das auch nie vorstellen können. Nach meiner Hospitation und während meines Jahrespraktikums wendete sich das Blatt aber schnell. Ich habe gemerkt, wie sehr mir dieser Beruf doch liegt. Ich kann jeden Tag zufrieden nach Hause gehen, weil ich weiß, dass ich wieder vielen Bewohnern geholfen habe. Das ist ein unbeschreibliches und unbezahlbares Gefühl.

Auch noch nach sechs Jahren?
Na klar. Ich lerne so viele neue Menschen kennen und natürlich auch ihre Persönlichkeiten. Das ist spannend, interessant und lehrreich dazu. Ich interessiere mich für die Bewohner und für ihre liebgewonnenen Gewohnheiten. Daher möchte ich ihnen gerne dabei helfen, diese so lange wie möglich beizubehalten.

Die Vergütung ist ein wichtiges Thema in der Pflege.
Ja. Ich persönlich kann mich über die Bezahlung nicht beklagen. Zumal ich Pflegehelfer bin und keine Pflegefachkraft. Trotzdem wäre etwas mehr natürlich nicht schlecht. Und vielleicht auch ein weiterer Anreiz für mögliche zukünftige Pflegekräfte.

Wie steht’s mit der eigenen Gesundheit? Der Beruf ist anstrengend!
Ich bin gesund und habe durch die Pflege bislang keine Leiden oder Beeinträchtigungen. Mein Arbeitgeber stellt dem Personal alle nötigen Hilfsmittel zur Verfügung, damit es so schonend wie möglich arbeiten kann.

Worauf kommt es bei der Pflege an?
Da man jeden Tag mit hilfebedürftigen Menschen arbeitet, ist die Qualität der Pflege äußerst wichtig. Man muss hier mit Herz und Verstand arbeiten. Halbe Sachen gibt es nicht.

Wie sehen Sie die Zukunft der Pflege?
Ich hoffe, dass unsere Politik verstanden hat, dass sich in der Pflege etwas grundlegend ändern muss. Hier benötigt man sinnvolle und realistische Lösungen. Schön, dass laut Politik zig Tausend neue Pflegemitarbeiter eingestellt werden sollen. Doch zunächst muss man diese neuen Kolleginnen und Kollegen erst einmal finden. Außerdem muss dafür gesorgt werden, dass die auch noch in diesem Beruf weiterarbeiten wollen.

Was raten Sie den Menschen, die sich nicht sicher sind, ob ein Pflegeberuf das Richtige für sie ist?
Probiert es mit einem Praktikum, dann könnt ihr entscheiden. Für mich war das der richtige Weg.

Auch mit Ihrem Hobby helfen Sie Menschen.
Richtig. Ich bin seit 1998 bei der Freiwilligen Feuerwehr. Zunächst in Neuhaus im Solling, da ich dort aufgewachsen bin, jetzt bei der Löschgruppe Wüsten. Zusätzlich zähle ich zum Team, das den Einsatzleitwagen der Feuerwehr Bad Salzuflen besetzt und bedient.

Warum auch noch Feuerwehr?
Die Feuerwehr gehört quasi zur Familie, denn auch mein Opa und mein Vater sind oder waren in der Feuerwehr aktiv. Ich erlebe in der Feuerwehr einen tollen Zusammenhalt. Hier habe ich auch den Sinn gelernt, der hinter dem Spruch steht „Mehr als Wohlstand befriedigt das Bewusstsein, seine Pflicht gegenüber dem Nächsten erfüllt zu haben“. Da ist echt was dran.

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