Illustration: Warten bis der Arzt kommt

Geschafft! Endlich! Ins Allerheiligste vorgedrungen zu sein, erzeugt bei mir Glückshormone. Da empfinde ich selbst die Stimme der jungen Frau mir gegenüber als himmlischen Singsang.

Die Frau telefoniert mit ihrem Handy. Obwohl äußerst lautstark, verstehe ich leider kein Wort von dem, was sie sagt.
„Na, auch das große Los gezogen?“, fragt mich mein Nachbar links.
Ich nicke dankbar.
„Apropos: Wo kommt man wohl schneller dran? An der Fleischtheke oder an ein Knöllchen?“, fragt er listig.
„Jedenfalls geht es bei beiden schneller, als beim Arzt vorgelassen zu werden.“
„Wie viel Anläufe haben Sie gebraucht?“
„Drei.“
„Und heute?“
„Weil ich sowieso nicht schlafen konnte, stehe ich seit 5 Uhr hier vor der Tür. Ich hatte Glück.“
„Ich hoffe, Sie haben Zeit mitgebracht. Sehen Sie die alte Dame dort? Die sitzt da seit zwei Jahren …“
„Aber ist das hier denn nicht das Wartezimmer?“
„Schon, aber …“
Die Tür öffnet sich. „Der Nächste, bitte.“

Die alte Frau steht unsicher auf, und ich sehe, wie sie von der Arzthelferin langsam in das nächste Wartezimmer geführt wird. Und bevor die Tür sich wieder schließt, sehe ich dahinter weitere Wartezimmer. Dutzende, Hunderte …

Schreiend erwache ich aus meinem Albtraum. Ich glaube, ich lasse mir demnächst lieber einen Termin geben.

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