Eine deutsche Partei
Regie: Simon Brückner
110 Minuten
Dokumentation
Majestic Filmproduktion

© spicefilm 2022

Ein Film mit der AfD und über die AfD – das verspricht Krawall, Konspiration und wüste Proteste. Doch von alledem liefert die Direct-Cinema-Studie von Regisseur Simon Brückner nur sehr wenig. Dennoch reicht es aus, um nach knapp zwei Stunden relativ nachdenklich zurückzubleiben.

500 Stunden Rohmaterial hat der Dokumentarfilmer Simon Brückner mit einem Kollegen für „Eine Deutsche Partei“ zusammengesammelt. 500 Stunden, die er in den Jahren 2019, 2020 bis 2021 mit der Kamera eingefangen hat und für die Brückner bereits seit 2017 in Sachen Recherche vorgearbeitet hatte.

Nach dem Schnitt des Films sind 111 sicht- und hörbare Minuten übriggeblieben. Kommentare aus dem Off oder gar Interviews mit den Protagonisten hat sich der Filmemacher gänzlich erspart. Sogar auf die Einbindung der Namen und Funktionen der Personen hat Brückner verzichtet. Das, was zu sehen ist, spricht ohnehin für sich – ohne zu brüllen.

Da ist zum Beispiel gleich die Eröffnungsszene im Prolog, die einen Auszug einer internen Besprechung unter AfD-Funktionären wiedergibt. Die in der Runde aufgeworfene Frage, ob es okay sei, dass das Meeting filmisch festgehalten werde, wird deshalb mit Ja beantwortet, weil die Ausstrahlung schließlich erst in den Jahren 2022 oder 2023 erfolge – also rund drei Jahre nach dieser Aufnahme. „Wenn das natürlich morgen im SPIEGEL veröffentlicht wird und die Sozialdemokraten wissen, wie wir dastehen“, wäre das wohl etwas anderes. Als Betrachter der Szene fragt man sich, welche Entwicklungen die AfD-Funktionäre für die vor ihnen liegenden drei Jahre erwartet hatten.

Was nach dem Prolog folgt, sind sechs unbetitelte Episoden aus dem politischen Alltag einiger namentlich nicht genannter AfD-Funktionäre. Was diese Schilderungen thematisch miteinander verknüpft, ist das Bemühen der Politikerinnen und Politiker nach Profilierung, Relevanz und Format. Häufig mit dem Blick auf die rote Linie und stets im Spannungsfeld zwischen den Lagern, das sich in der AfD wohl so deutlich wie kaum in einer anderen Partei auftut.

So erleben wir, wie sich der Berliner Landesvorstand auf die Plakatmotive für den Wahlkampf um die Sitze im Abgeordnetenhaus einigt (oder auch nicht) und wie eine Mehrheit in der Berliner AfD-Fraktion einen zu offensichtlichen „Schaufensterantrag“ aus den eigenen Reihen „als gut gedacht, aber schlecht gemacht“ abbügelt. Auch das Scheitern des als eher gemäßigt geltenden stellvertretenden Bundessprechers Georg Pazderski bei den Wahlen für den Bundesvorstand 2019 serviert Dokumentarfilmer Simon Brückner in unkommentierter Sachlichkeit. Wie es zur Abwahl des stellvertretenden Bundessprechers kommen konnte, lässt sich dank der Komposition der Bilder jedoch leicht erahnen.

Darin liegt auch die besondere Stärke der Doku „Eine Deutsche Partei“. In zahlreichen Momenten und in fast allen Episoden ist die verzweifelte Suche der AfD nach Themen und ihrer „korrekten“ (also sachdienlichen) Einordnung fast schmerzhaft spürbar. Was dürfen wir sagen, wie weit können wir gehen, womit stellen wir uns wohlmöglich selbst ein Bein?

Besonders das Kapitel über den AfD-Newcomer Aaron Kimmig macht die Mechanismen von Partei und Politik deutlich. Brückner zeigt Kimmig zunächst als wackeligen, hypernervösen Stand-up-Demodebütanten, um ihn und seine dreiköpfige AfD-Reisegruppe anschließend nach Bosnien-Herzegowina zu begleiten. Nach dem Besuch des Flüchtlingslagers Lipa (mit Sicherheitsabstand zu den „Brennholz suchenden“ Flüchtlingen) an der EU-Außengrenze, wird Kimmig auf der Rückreise auf eine Gruppe gestrandeter afghanischer Männer angesetzt. Unter dem Vorwand, ihre schlechte humanitäre Situation zu dokumentieren, nimmt der junge AfD-Aktivist Kontakt zu den Geflüchteten auf. Tatsächlich scheint in Kimmig so etwas wie Empathie, Betroffenheit und echtes Interesse an den freundlichen Afghanen aufzukeimen. Davon ist allerdings wenig später beim Treffen mit internationalen Rechten kaum noch etwas übriggeblieben. Die „Schuldkultur der Deutschen“ beschäftigt da schon mehr.

Fast schon komödiantisch wirkt Kimmigs „Engagement“, das er gemeinsam mit zwei weiteren AfDlern in das zerstörte Ahrweiler hineintragen möchte. Den mitgebrachten 10.000-Euro-Spendengutschein im XXL-Format wird das Trio vor Ort einfach nicht los. Folglich wird das erwünschte PR- und Social-Media-Foto vor den Hochwasserruinen gänzlich ohne Spendenbegünstigte gemacht – während nur wenige Meter weiter die Menschen tatkräftig die Schäden der Flut beseitigen.

ta

Trailer:

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