Mohawk
Richard Russo
469 Seiten
Hardcover: 26,00 €
Roman
DuMont Buchverlag

Das Leben ist ein Schnellrestaurant. Zumindest in der Welt des US-amerikanischen Schriftstellers Richard Russo. In seinem nun endlich in deutscher Sprache veröffentlichen Debütroman Mohawk machte der begnadete Beobachter bereits 1986 deutlich, dass die großen Fragen des Lebens tatsächlich zwischen brutzelndem Speck und Kaffeekanne verhandelt werden. Willkommen in Mohawk.

Mohawk ist eine Kleinstadt im Upstate New York – sie befindet sich also in jenem Teil des US-Bundesstaates, der weder der Metropole New York City noch zu Long Island zuzurechnen ist. Es ist das Jahr 1966, und obwohl sich diese Jahreszahl heute wie die gute alte und fette Zeit anhört, haben Mohawk und seine Menschen vor 1966 schon weitaus bessere Zeiten erlebt.

Vor allem der Niedergang der ortsansässigen Ledergerberei trifft das Städtchen schwer. Der Wohlstand geht den Bewohnerinnen und Bewohnern nach und nach verloren, die krebserregenden Substanzen im Fluss und im Grundwasser sind hingegen geblieben. Zumindest wirken sie länger nach als der einstige Wohlstand.

Das Diner im Zentrum von Mohawk ist auch so etwas wie der gesellschaftliche Mittelpunkt der kleinen Ostküstenstadt. Sobald der Mittfünfziger morgens Harry sein Lokal aufsperrt, schleicht sich auch schon der erste Gast auf den Barhocker vor dem Tresen. Meist ist es der im Leben gestrandete Wild Bill, der stumm und ängstlich die kulinarischen Reste der Vortage vernichtet, die Harry ohnehin in den Abfall werfen würde.

Wie alle Gäste des kleinen Diners, so trägt auch Wild Bill eine lange und tragische Geschichte mit sich herum. Manchen Einwohnerinnen und Einwohnern ist sie bekannt, anderen wiederum ist sie offensichtlich verborgen geblieben. Nicht wenige Schicksale der Mohawks überkreuzen sich, da es die meisten Menschen nie geschafft haben, aus dem Ort wirklich und endgültig herauszukommen.

So wie in einigen späteren Romanen auch (z. B. in dem mit Paul Newman und Ed Harris verfilmten Empire Falls), so verdichtet Richard Russo auch in Mohawk das Leiden, Lieben und Leben der amerikanischen Gesellschaft in das Diner einer dahinsiechenden Kleinstadt.

Es braucht nicht viele Ereignisse, um die Dramen der handelnden Personen dieses Romans zu erfassen. Richard Russo lässt uns lieber an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben. Und das auf sehr bewegende, ergreifende und manchmal auch witzige Weise. Ein großartiges Debüt, das Richard Russo 1986 als 37-jähriger Shootingstar veröffentlichte. Sechzehn Jahre später gewann er für Empire Falls den Pulitzer-Preis.

Rainer Tautz

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